Zuckerrohr und Peitsche

Der Agrarkonzern Rajawali soll in Indonesien eine UN-Initiative (“Global Compact”) bekannt machen, mit der Anwohner besser vor Konzernen geschützt werden sollen. Dabei zieht er selbst indigene Dörfer nach allen Regeln der Kunst über den Tisch. Nachdem die Regenwäldern der Insel Sumatra bereits weitgehend zerstört sind, steht nun Papua am Anfang vom Ende.

veröffentlicht im SÜDLINK, dem Nord-Süd-Magazin von Inkota, 09/2012, S. 34-35 >>

  • Regengüsse haben die Straße nach K. fast unpassierbar gemacht Für die letzten 20 km brauchen wir 8 Stunden. In der Regenzeit ist K. weitgehend isoliert.
  • Die Besuchergruppe würde gerne mit den Dorfbewohnern sprechen; statt dessen muss sie dem CSR-Beauftragten lauschen.
  • Der CSR-Beauftragte hat das Wort. Der Schreiber schreibt, die Alten schweigen.
  • Müssen draußen bleiben, als es um ihre Zukunft geht: junge Leute in D.
  • Für sein Land bekam Matius ein Handy – ein Mobilfunknetz gibt es nicht.
  • Auf Schritt und Tritt dabei: zwei Mitarbeiter des indon. Geheimdienstes, Dorfsekretär (v.l.).
  • Rien ne va plus.

Wenn Agrarkonzerne in Indonesien “Unternehmensverantwortung” (CSR) sagen, dann meinen sie damit nicht selten die Bestechung weniger DorfbewohnerInnen auf Kosten der Allgemeinheit. Sie beschwören bewusst Missverständnisse herauf: Was das Dorf als Geschenk oder „CSR“ versteht, legen sie im Nachhinein als Kaufsumme aus.

Als es um die Zukunft des Papua-Dorfs D.* geht, sitzen nur alte und uralte Männer im Gemeindehaus, dösend die einen, rauchend die anderen. Wirklich zuzuhören scheinen nur die Frauen, Kinder und jungen Väter, die in Trauben an den offenen Fenstern und Türen hängen, ohne die Schwelle je zu überschreiten. Sie lauschen dem jung-dynamischen Papua im neongrünen T-Shirt, der sich als „David Timotheus Julian Jamalu Aru, CSR-Beauftragter von Rajawali“ vorstellt, jedes Wort betonend wie eine Auszeichnung. Er steht vorne am Ehrentisch, gleich neben dem Dorfschreiber, der bei Arus Worten eifrig nickt – auch wenn sie einer sehr eigenen Logik folgen: „Der Manager von Rajawali ist kein schlechter Mensch, er ist Christ.“

Jamalu Aru wählt seine Worte mit Bedacht, er weiß, wen er vor sich hat: den Bischof von Merauke und ausländische BesucherInnen. Als die Clanchefs dem Drängen des Agrarkonzerns Rajawali im November 2010 nachgaben, war das auch ein bisschen Arus Verdienst. Sie haben den kompletten Dorfbesitz für mehrere Jahrzehnte verliehen, fast 37.000 Hektar Land. „Die Regierung hat uns im Stich gelassen, das Geld vom Speziellen Autonomiegesetz haben wir nie gesehen“, erzählt Dorfsekretär Rikki Robert Niwar. „Wir haben den Vertrag unterzeichnet, weil wir ein besseres Leben wollen.“ Er macht eine dramatische Pause. Das ist Jamalu Arus Einsatz: „Wir haben eine neue Freude in unserem Leben! Vor 2010 lebten wir im Dunkeln, aber Rajawali brachte uns das Licht.“ Und an den Bischof gewandt fügt er hinzu: „Rajawali ist wie Moses.“ 

Land Grabbing zum Spottpreis

Niemand widerspricht. Die Alten schweigen, der Schreiber schreibt. Jamalu Aru darf so sprechen, denn er ist einer von ihnen – das enthebt ihn von jedem Misstrauen. „Ihr könnt mir doch nicht vorwerfen für die globale Erwärmung verantwortlich zu sein. Ich bin in D. geboren!“ Doch dort enden die Gemeinsamkeiten zwischen ihm und den DorfbewohnerInnen auch schon: Aru trägt Markenkleidung, fotografiert die BesucherInnen mit einer wertvollen Kamera – und wird für seine Rolle als Kundschafter und Lobbyist bezahlt.

Sechs Milliarden indonesische Rupiah hat das Dorf für sein Land erhalten, etwa eine halbe Million Euro. Eine enorme Summe, dachten die Clanchefs. Ein Geschenk. CSR! Dass diese Summe nur einen Bruchteil des tatsächlichen Marktwerts darstellt, ahnten sie nicht. An den Folgetagen kamen Händler aus Merauke zum ersten und letzten Mal in das Dorf und machten das Geschäft ihres Lebens. Sie setzten utopische Preise an, bis zu 20 Mal höher als in der Stadt, und wieder merkte niemand etwas. Mittlerweile hat fast jeder Mann im Dorf ein Moped, einen Fernseher und ein Handy. Doch ein Mobilfunknetz gibt es nicht, vom Geld ist nichts mehr übrig – und das Land ihrer Ahnen ist verloren.

Papua ist ein Schlaraffenland für Agrarkonzerne wie Rajawali und Bergbauunternehmen wie Freeport: Die Westhälfte der Insel Neuguinea ist reich an natürlichen Ressourcen; Holz, Kupfer, Gold, Nickel, Gas und Öl scheint es im Überfluss zu geben. Gesetze existieren nur auf dem Papier; so wird das Spezielle Autonomiegesetz von 2001, das die Rechte der Indigenen sichern sollte, gar nicht umgesetzt.I

n dieses Vakuum drängen Konzerne mit aller Macht. 2010 startete das Landwirtschaftsministerium das Agromegaprojekt MIFEE, das „Merauke Integrated Food and Energy Estate“, im Rahmen dessen bis zu zwei Millionen Hektar Land in Süd-Papua in Großplantagen umgewandelt werden sollen. „Erst ernähren wir Indonesien und dann ernähren wir die Welt“, kündigte die Planungsgruppe vollmundig an – und sicherte sich damit eine gewisse Akzeptanz. Doch die Konzerne hatten nur wenig Interesse daran, Reis und andere Grundnahrungsmittel anzubauen. Stattdessen planen sie nun rentablere Palmöl-, Zuckerrohr- und Hackgut-Plantagen; 36 Investoren hatten bis 2011 bereits eine Konzession erhalten. „In zehn Jahren wird es in Papua ebenso aussehen wie jetzt schon in Nord-Sumatra“, schätzt Kristina Neubauer, Koordinatorin des West Papua Netzwerks (WPN). Nord-Sumatra, das heißt: gerodete Regenwälder, vertriebene Dörfer und hier und da ein paar Widerstandsgruppen auf verlorenem Posten, von Konzernmilizen bedroht.

CSR mit Kleingedrucktem

In Indonesien scheint die Faustformel zu gelten: Je mehr Dreck am Stecken eine Firma hat, desto ausgefeilter ist ihre CSR-Rhetorik. Rajawali gibt sich auf seiner Website philanthropisch und greift die Bereiche auf, in denen der Staat versagt: „Das CSR-Programm sieht vor, die lokale Community partnerschaftlich einzubinden – etwa durch Landteilung, Kredite oder durch die Vergabe von Land an Transmigrasi (geförderte Migranten aus anderen Teilen Indonesiens, Anm. d. Red.). Andere CSR-Aktivitäten sind die Versorgung mit sauberem Wasser, Gesundheitseinrichtungen, Grundschulen und besseren öffentlichen Einrichtungen.“Ähnliche Hoffnungen hat Rajawali auch den BewohnerInnen von D. gemacht; Jamalu Aru zitiert diesen „10-Punkte-Plan“ wieder und wieder. Von der Ergänzung im Kleingedruckten sagt er nichts, noch nicht: „Dies wird in Abhängigkeit von der finanziellen Situation der Firma umgesetzt.“ Ein Nachbardorf wird mit diesem Satz schon seit Jahren hingehalten.Obwohl all die Tricks unter dem Deckmantel der Unternehmensverantwortung schon seit langem in Indonesien eingesetzt werden, scheint jedes Dorf in die gleichen Fallen zu tappen. Das liegt auch an den schlechten Kommunikationswegen. In Papua mit seinen rund 270 Sprachen verstehen sich oft nicht einmal Nachbardörfer. Vor allem nach Regengüssen sind die Wege auf dem Land fast unbefahrbar – und es regnet oft. Ein regionales „Buschradio“ wie in vielen ländlichen Gebieten Lateinamerikas oder Afrikas gibt es nicht. Und es ist fraglich, ob jemand die Verantwortung übernehmen würde: 2010, im Startjahr von MIFEE, wurde die Leiche eines jungen Journalisten im Fluss zwischen Merauke und D. gefunden. Er hatte kritisch über die Investmentpläne berichtet. Ausländische Journalisten bekommen erst gar kein Visum für Papua. Mit empathischem Tremolo feiert Rajawali auf seiner Website ein CSR-Projekt für die Opfer des Seebebens 2004: „Wenn Naturkatastrophen zuschlagen, reicht die Rajawali-Foundation den Bedürftigen eine helfende Hand. Es ist hoch erfreulich, Menschen von Nutzen zu sein, die tragische Verluste ertragen müssen und wenige öffentliche Einrichtungen haben, an die sie sich wenden können.”Rajawalis Katastrophenhilfe in allen Ehren: Einen größeren Einfluss hätte der Konzern, wenn er sich den sozioökonomischen Katastrophen zuwenden würde, die er etwa in Süd-Papua selbst verursacht. Denn nicht nur Seebeben können „tragische Verluste” zufügen – auch Konzerne sind dazu in der Lage. Noch ernten die Bewohner von D. in den Wäldern Sago und gehen dort auf die Jagd. Doch mit den Baggern wird voraussichtlich auch der Hunger nach D. kommen. Dies ist die Ironie von MIFEE: Ein Megaprojekt, das ursprünglich die Ernährung von ganz Indonesien sichern sollte, kann nicht einmal die Zukunft der Anrainerdörfer sichern. * Aus Sicherheitsgründen möchte das Dorf nicht genannt werden. Der Redaktion ist der Ortsname bekannt.