“Wir haben keine Träume mehr”

Das sagt mir ein Dorf im Chor, sagt mir eine Frau nach der anderen in dieser Gegend, von der ich seit Jahren träume: den Sundarbans, dem größten Mangrovenwald der Erde – und einem der ersten Opfer des Klimawandels. “Wir sind zu arm zum Träumen.”

Und doch leben sie von der Hoffnung: Früher warf der Wald genug für sie ab, heute regieren dort die Tiger – wütend und hungrig nach Aila, dem Wirbelsturm, dessen Name auch fünf Jahre nachher noch so häufig fällt als handle es sich um eine missgestimmte Gottheit. Einer meiner Gesprächspartner hat eine Tigernarbe am Bein, einer hat seinen Bruder verloren, einer seinen Nachbarn. Am meisten wissen die mutigsten und erfolgreichsten Krabbenfischer über die Tiger; ich würde sie gerne fragen, was sich geändert hat nach Aila, wie sie sie anschauen, die Menschen, ob sie wütend sind. Und warum B.B. Ma, der Gott der Tiger, sie nicht mehr beschützt. Aber die mutigsten Krabbenfischer sind zu weit in die Mangroven hineingefahren; sie antworten nicht mehr.
Auf die Schätze des Waldes ist kein Verlass mehr, jetzt müssen die Abfälle der Reichen herhalten. Was ist das für eine Hoffnung, dass inmitten des Mülls vielleicht doch noch etwas Verwertbares wartet? Dass die Reste der Reichen immer noch reichen – zum guten Leben nicht, aber zum Überleben. Wie nehmen sie ihren Kindern die Angst vor der Straße draußen, den Polizisten, die die Slumbewohner lieber tot als lebendig sähen und nicht einmal wissen, wen sie vor sich haben: den stolzen Reisbauern, den kühnen Krabbenfischer – bis Aila kam, die Welle, die all die Flugzeuge und Autos hinter sich herzogen. Die Reichen, deren Müll sie am Ende doch noch sterben lässt.