Strandurlaub mit Bären – zu Fuß entlang der Lost Coast

Wer bei Strandurlaub in Kalifornien an Malibu Beach denkt, sollte nicht herkommen. Die Lost Coast ist eher Alaska als Baywatch. Schon die Straßenbauer des Wilden Westens haben einen großen Bogen um die Küste gemacht – sie war ihnen zu steil und zerklüftet. Umso besser für uns! Und für die riesigen Seelöwenherden, Schwarzbären und Marihuana-Bauern, die hier ungestört leben.

veröffentlicht im tapir-Reiseblog,  5. Oktober 2015 >>

  • An der Lost Coast führen selbst die Farben ein Eigenleben: hier der schwarze Strand...
    An der Lost Coast führen selbst die Farben ein Eigenleben: hier der schwarze Strand...
  • ...dort weiße Baumskelette. Und die Proportionen stimmen auch nicht – oder wir sind geschrumpft.
    ...dort weiße Baumskelette. Und die Proportionen stimmen auch nicht – oder wir sind geschrumpft.
  • Einer der psychedelischen Bewohner der Lost Coast
    Einer der psychedelischen Bewohner der Lost Coast
  • Gebirgsbach im Winter – im Sommer mussten wir die Rinnsale suchen.
    Gebirgsbach im Winter – im Sommer mussten wir die Rinnsale suchen.
  • Auf den Wiesen überm Cooskie Creek Trail südlich von Mattole
    Auf den Wiesen überm Cooskie Creek Trail südlich von Mattole
  • Disteln, larger than life
    Disteln, larger than life
  • Das meine ich mit „versperrt“. Ein Wintersturm hat die Berge knapp vor uns besucht, da haben wir den
    Das meine ich mit „versperrt“. Ein Wintersturm hat die Berge knapp vor uns besucht, da haben wir den
  • In Kalifornien ist selbst das Waldlicht ein bisschen „New Age“.
    In Kalifornien ist selbst das Waldlicht ein bisschen „New Age“.
  • Hier war auch mal Wald – vor dem letzten Brand.
    Hier war auch mal Wald – vor dem letzten Brand.
  • Blick von den Spanish Flats auf die Küste
    Blick von den Spanish Flats auf die Küste
  • Der Sea Lion Gulch kündigt sich schon Meilen gegen den Wind mit Brüllen und Schnauben an – lange bev
    Der Sea Lion Gulch kündigt sich schon Meilen gegen den Wind mit Brüllen und Schnauben an – lange bev
  • Jemand anderes war auf dem gleichen Trail unterwegs, jemand Großes und Braunes.
    Jemand anderes war auf dem gleichen Trail unterwegs, jemand Großes und Braunes.
  • Nanu, ist hier irgendwo ein Kurort? Nein, der Leuchtturm von Punta Gorda ist keine Deko. Er wurde 19
    Nanu, ist hier irgendwo ein Kurort? Nein, der Leuchtturm von Punta Gorda ist keine Deko. Er wurde 19
  • „Lost Coast Trail“? Küste des Verlorenen Trails passt besser.
    „Lost Coast Trail“? Küste des Verlorenen Trails passt besser.
  • Bis 1961 lebte hier ein einsamer Leuchtturmwärter, dann wurde er durch moderne Navigationstechnologi
    Bis 1961 lebte hier ein einsamer Leuchtturmwärter, dann wurde er durch moderne Navigationstechnologi
  • Big Brother war nicht sehr beeindruckt von uns – aber wir von ihm! (Foto: Ben Kruft)
    Big Brother war nicht sehr beeindruckt von uns – aber wir von ihm! (Foto: Ben Kruft)

Warum die Lost Coast?

Wer bei Strandurlaub in Kalifornien an Malibu Beach denkt, sollte lieber nicht herkommen. Die Lost Coast ist eher Alaska als Baywatch; hier trefft Ihr eher Seelöwen als Prominente. Zwar verschlägt es manchmal einheimische Surfer hierher, aber sie tragen dicke Wetsuits. Das Wasser ist wie überall am Nordpazifik bitterkalt und die Gegend verdammt abgelegen.

Um diese Küste haben schon die Straßenbauer des Wilden Westens einen großen Bogen gemacht – sie war ihnen zu steil und zerklüftet. Verlorenes Land. Den Highway 1 ließen sie hier einfach enden, 1000 Kilometer nach seinem Start bei Los Angeles. In vielen Reiseführern kommt die Lost Coast bis heute nicht vor.

Umso besser für uns! Und für die riesigen Seelöwenherden, Schwarzbären und Marihuana-Bauern, die hier relativ ungestört leben. Wer nach gut fünf Stunden Autofahrt durch Wildwest-Dörfer und Nebelwälder mit riesigen Redwoods benommen aus dem Auto steigt, ist in einer anderen Welt angekommen. Die Küste gehört dem Wind und den Wellen, alles andere wird nebensächlich. Selbst die anderen Wanderer wirken winzig, ihre Stimmen verwehen schon nach wenigen Metern.

A propos wandern: Welche Tour lohnt sich denn?

Die Lost Coast ist eine National Conservation Area mit 80 Meilen Wanderwegen; davon macht die eigentliche Küste zwischen Mattole Beach im Norden und Shelter Cove im Süden aber nur 25 Meilen aus. Öffentliche Verkehrsmittel zwischen den beiden Küstenorten gibt es nicht. Daher bleiben Euch drei Varianten: Ihr wandert einen Loop an der Küste entlang und durch die Berge zurück, Ihr lauft den Strandabschnitt zwischen Shelter Cove und Mattole Beach und lasst Euch von einem Shuttle zu Eurem Auto zurückbringen – oder Ihr verabredet Euch mit einer zweiten Gruppe, die Euch am Strand entgegenkommt und mit Euch die Autoschlüssel tauscht. Die Shuttle-Tour durch die Berge dauert zwei bis vier Stunden und kostet bei zwei Leuten ab 100 Euro pro Person; im Sommer empfiehlt sich eine Reservierung bei Lost Coast Shuttle oder Lost Coast Adventures. Beliebter ist die Strecke von Nord nach Süd, weil Ihr dann meist Rückenwind habt.

Bei gutem Wetter kann man hier das ganze Jahr hindurch wandern: Wir sind im Dezember einen Loop vom Süden aus gelaufen und im Juli einen Loop im Norden.

Die Crux an der Strandtour? Die Gezeiten…

Wer sich für eine reine Strandtour entscheidet, folgt einfach der Küstenlinie über Sand, Steine und Wiesen. Doch die Tour will ein bisschen geplant sein, denn mehrere Küstenabschnitte sind bei Flut unpassierbar, da zu schmal (s. Karte). Tidenkalender (s. Links) helfen weiter. Selbst bei Ebbe ist hier Vorsicht angesagt, da an der Lost Coast selten mal einzelne Riesenwellen („rogue waves“) vorkommen, die Wanderer ins Meer spülen können. Habt einfach immer das Meer im Blick und lauft nicht allzu dicht am Wasser. Die längeren Küstenengen betritt man idealerweise, wenn das Wasser seit ein bis zwei Stunden fällt – nicht erst, wenn der tiefste Punkt erreicht ist. Die „Flats“ (Miller und Spanish) und „Creeks“ (Buck und Shipman) bieten gute Zeltmöglichkeiten, sind aber im Sommer manchmal überlaufen. Dort treffen Gebirgstäler auf die Küste und Flüsse bilden ihr Delta.

Riesige Baumskelette auf dem schwarzen Strand lassen erahnen, welche Kraft Stürme (vor allem im Winter) und Wildfeuer (im Sommer) an der Lost Coast entfalten. Wir konnten die Bäche mit Stöcken und in Wasserlatschen leicht durchqueren, doch bei Regen können sie hüfttief werden und das Überqueren erschweren oder unmöglich machen. Aus all diesen Gründen überprüft unbedingt vorher das Wetter.

Die Touren durch die Berge (King Crest Trail, Verbindungsweg zur Küste, Lost Coast Trail zurück) sind deutlich anstrengender, da die Hügel von 0 auf 1300 Meter ansteigen, die Wege dort nicht immer leicht zu finden sind und hier und da von umgeknickten Bäume versperrt waren (s. Foto). Die Rundwege lassen sich aber relativ flexibel ausdehnen, da es mehrere Verbindungswege zur Küste gibt. Der Blick von oben lohnt diese Variante; außerdem ist sie günstiger, da man ohne Shuttle auskommt. Für einen 100-Kilometer-Rundweg vom Horse Mountain Trailhead durchs Gebirge, an den Spanish Flats zur Küste und zurück haben wir vier Tage gebraucht.

Big Brother is watching you

Ihr seid nicht allein unterwegs. In den Hügeln und Tälern der Lost Coast leben wilde Ranger, die nur darauf warten, Euch ohne Permit oder Bärenkanister anzutreffen. Nein, im Ernst: Ein paar Regeln gibt es tatsächlich und es soll auch Ranger geben, die sie überprüfen. Permits sind gratis, aber Pflicht. Ihr könnt sie Euch an allen Trailheads selbst ausstellen.

Wirklich wichtig ist ein Bärenkanister – wer den vergisst, kann bald einen großen pelzigen Ranger kennenlernen. Gerüche locken Bären auch aus großer Ferne an, ihr Geruchssinn soll sieben Mal besser sein als der von Hunden. Hat ein Bär einmal Lebensmittel in Menschennähe gefunden, bleibt er darauf konditioniert. Das ist für beide Seiten gefährlich; solche Bären werden aus Sicherheitsgründen oft getötet. Umso wichtiger ist es, dass Ihr Essen, Kosmetika und riechenden Müll in (zugeschraubten) Bärenkanistern transportiert, die Ihr tagsüber im Rucksack tragt und nachts in einigem Abstand vom Zelt verwahrt. Falls Ihr keinen Kanister habt, könnt Ihr Euch hier welche ausleihen – Öffnungszeiten und Verfügbarkeit vorher klären. Auch im Auto sollten keine Essensreste zurückbleiben.

Die gute Nachricht: Schwarzbären sind relativ scheu – und die von der Lost Coast erst Recht. Anders als in Touristengebieten wie Yosemite haben die Wanderer sie dort noch nicht verdorben. Wir haben in der Miller Flat und am Spanish Creek frische Bärenspuren in beide Richtungen gesehen – aber keinen Bären. Das kam erst später: Auf der Rückfahrt trat plötzlich ein gelangweilter Schwarzbär zwischen Mammutbäumen hervor und trottete vor unserem Auto über die Straße. Falls Ihr beim Wandern einen zu Gesicht bekommt, redet ruhig auf ihn ein, macht Euch groß, nehmt kleine Kinder auf die Schultern und geht langsam zurück, ohne ihnen den Rücken zuzuwenden.

Viel wahrscheinlicher ist Eure Begegnung mit Zecken (in hohem Gras), Klapperschlangen (im Gras oder im Treibholz) und Poison Oak am Wegesrand, das aussieht wie drei Eichenblätter und schweren Ausschlag verursacht.

Und was ist, wenn…

Wer mal für kleine Wanderer muss, sollte am Strand in Wassernähe ein Loch graben, so dass es die nächste Flut wegspült. In den Bergen grabt Ihr ebenfalls ein Loch, haltet aber wie anderswo auch Abstand zu Gewässern.

Wasser findet Ihr an der Küste alle paar Meilen an den vielen Bächen. In den Hügeln gibt es hingegen nur einige Quellen, die in trockenen Jahren nicht verlässlich Wasser führen. Falls Ihr im Sommer einen Loop durch die Berge plant, empfiehlt sich vorher ein Anruf beim Ranger; dort erfahrt Ihr, welcher Bach auf Eurer geplanten Route Wasser führt und damit zum Zelten in Frage kommt: 001-707-986-5400.

Handyempfang gibt es an der Lost Coast nur selten.

Die wenigen Hütten sind Privatbesitz – und nicht zum Auskundschaften geeignet, da es in der Gegend bewachte Marihuana-Plantagen geben soll und einige US-Amerikaner auf Privatgrundstücken keinen Spaß verstehen.

Für Lagerfeuer und sogar zum Kochen solltet Ihr Euch hier ein California Campfire Permit ausdrucken, indem Ihr ein paar Fragen beantwortet. Die wichtigste Lektion: Nutzt bestehende Lagerfeuer und löscht sie mit Wasser, bevor Ihr ins Bett geht. Das Permit zu bekommen ist ungefähr so schwer wie einen US-Führerschein zu machen – also gar nicht.

Short Cuts Lost Coast

Reisezeit: ganzjährig, vorher Wetter beobachten

Anreise: Mit öffentlichem Nahverkehr kommt man in den USA bekanntlich nicht weit – zumindest nicht über die großen Städte hinaus. Daher fahrt Ihr am besten im Auto nach Mattole Beach, Shelter Cove oder an einen der Trailheads in den Bergen. Die unteren Trailheads sind noch mit einem normalen Auto zu erreichen, weiter oben braucht man Allradantrieb. Rechnet gut fünf Stunden von San Francisco zum Black Sands Beach Trailhead (mit Parkplatz, Google Maps) oder gut sechs Stunden bis Mattole Beach (Google Maps). Wenn Ihr die Fahrt unterbrechen wollt, könnt Ihr auf dem Weg campen oder für etwa 60 USD (Doppelzimmer) in einem der vielen Motels übernachten – gehört zu jedem US-Roadtrip dazu.

Einreise: Reisepass; nach Anmeldung beim Visa-Waiver-Programm (http://www.cbp.gov/travel/international-visitors/visa-waiver-program) kein Visum notwendig

Nicht vergessen

– robuste Wanderschuhe; wer stabile Gelenke hat, kann es auch in Turnschuhen versuchen

– Wandersocken, Nylonstrümpfe drunter (Trick, um Blasen zu vermeiden 😉

– Zelt, Schlafsack mit Inlet, Isomatte

– Karte, Kompass

– Wasserreinigungstabletten (wichtig!)

– Taschenmesser

– Wasserlatschen/Tevas fürs Überqueren der Flüsse

– Teleskop-Stöcke machen sich gut, da langes Laufen über Sand die Füße ermüdet

– pro Person eine Stirnlampe mit Ersatzbatterien

– gute Karte (s. Link), ggf. Kompass und GPS

– Sonnenschutz und Sonnenbrille

– Regenjacke, je nach Jahreszeit Fleece-Pullover

– Toilettenpapier, kleine Schaufel

– Handdesinfektion

– 2-3 Wasserflaschen (Liter) pro Person

– Wasserreinigungstabletten (wichtig!)

– Trockennahrung, Kocher

– Erste-Hilfe-Set (v.a. Zeckenpinzette und Blasenpflaster werden gebraucht)

– evtl. Spot-Tracker

– Bärenkanister: Wir sind zu zweit für vier Tage knapp mit einem ausgekommen (BV500, 11,5 Liter)

– wer doch was vergisst (wie wir): Den letzten Outdoorladen gibt es mehrere Stunden vor Mattole, in Ukiah. Ein besseres Sortiment haben die R.E.I.-Filialen, aber die gibt es auf dieser Strecke nur bis zur Bay Area.

wwwo beginnen

http://www.blm.gov/pgdata/content/ca/en/prog/nlcs/King_Range_NCA.html

Guter Überblick mit digitalen Karten vom Bureau for Land Management

http://www.blm.gov/ca/st/en/fo/arcata/kingrange/trail_conditions.html

Aktuelle Wegbedingungen

http://tidesandcurrents.noaa.gov/noaatidepredictions/NOAATidesFacade.jsp?Stationid=9418024

Tidenzeiten („tide tables“) an der Lost Coast – für alle Wandertage ausdrucken und mitnehmen.

Literatur

Karte: King Range, National Conservation Area, The Lost Coast. Arcata Field Office. Maßstab: ca 1:100.000, 5 USD.

Die digital verfügbaren Karten sind gut für einen Überblick; eine gute Printversion mit weiteren Erläuterungen könnt Ihr hier bestellen oder in einigen Läden in der Region kaufen.

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