Illegal – und unverzichtbar

Elf Millionen Menschen leben ohne Aufenthaltsrecht in den USA – Trump plant die meisten von ihnen abzuschieben. Dabei läuft in den USA nichts ohne sie.

veröffentlicht am 28. Februar 2017 auf ZEIT ONLINE sowie auf dem ZEIT-Instagram-Account im März 2017 >>

Tucson/Arizona, Salinas/Kalifornien, X/Kalifornien

Schotter knirscht, eine Staubwolke zieht auf: Santos „el Tito“* blinzelt in den Sonnenaufgang. Am Ende der Straße, wo die Stadt endet und die Wüste beginnt, kommt ein Pickup-Truck angefahren. Kundschaft, endlich! Doch der Wagen rollt vorbei. Santos und die Männer blicken sich an, er zuckt die Achseln. Diese Gringos! Schlafen bis in die Puppen, und wir warten und warten!

Tucson, Arizona. Um sieben Uhr morgens liegt die Unistadt im Tiefschlaf; nur an einer Straßenecke im äußeren Süden der Stadt treten dreißig Männer auf der Stelle. Einige haben Spaten und Schweißgeräte dabei, tragen Arbeitshandschuhe und Rucksäcke. Santos besitzt nichts von alledem, er ist erst seit drei Monaten in den USA und neu im Southside Worker Center. Als Einziger redet er freimütig drauflos, nennt seinen Nachnamen und sein Heimatdorf in Honduras. Daran, dass er gar nicht hier sein darf – nicht in den USA und nicht auf der Suche nach Arbeit –, muss er sich erst noch gewöhnen.

Straßenecken wie diese gibt es in vielen US-Städten. Etwa elf Millionen Einwanderer leben ohne gültiges Visum oder Green Card im Land; sie sind entweder nach Ablauf ihres Visums im Land geblieben oder kamen wie Santos durch die Wüste. Laut dem Pew Research Institute gehört jeder 30. Mensch in den USA – oder jede vierte Einwanderer – zu dieser Gruppe.

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* Der Nachname wurde zum Schutz des Protagonisten weggelassen.

“Ein Land führen ist wie ein Unternehmen managen: Man muss bestimmte Quoten erfüllen, Deals aushandeln und sparsam sein”, sagt Denis Purdon, 68, der in Three Points einen Laden kurz vor der mexikanischen Grenze führt. “Deshalb habe ich Trump gewählt. Außerdem ist er stinkreich und, anders als Hillary, niemandem etwas schuldig; deshalb wird er schon das Richtige tun. Ich würde ihm gerne einen Rat geben: Verzichte auf die Mauer, Migranten finden immer einen Weg. Als Mexikaner würde ich ehrlich gesagt auch herkommen. Soll meine Familie etwa verhungern, wenn ich keinen Job finde? Es ist echt hart dort. Hier kommen oft Migranten vorbei, die sind durstig, hungrig, völlig am Ende. Ich gebe ihnen Wasser. Und wenn die Grenzpolizei kommt, lasse ich sie schnell verschwinden. Ja, ich bin konservativ und trotzdem mitfühlend – auch wenn die Liberalen sich das nicht vorstellen können. Menschen sind Menschen.” Denis erwachsener Sohn unterbricht: “Die sollen gefälligst legal herkommen und warten, bis sie an der Reihe sind! Ich bin auch auf dem richtigen Weg hergekommen, aus Kanada.” Denis Purdon zieht die Augenbrauen hoch: “Junge, Du bist zwar in Kanada geboren, aber Deine Eltern sind US-Bürger. Dass du legal eingereist bist, war nun echt kein Kunststück.” #trump100 #100daysoftrump #Arizona #threepoints #migration #nowall #usa #trump #deal (📷 & Protokoll: @chessocampo)

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“Als Einwanderer können wir nicht wählerisch sein – wir lehnen keine Arbeit ab und meiden auch kein Land wegen des Präsidenten”, sagt José aus Honduras. Der 23-Jährige will anonym bleiben, weil er ohne Visum auf dem Weg in die USA ist. In der Suppenküche von Heroica Nogales an der US-mexikanischen Grenze wäscht er sich den Staub seiner 40-tägigen Reise ab. “Mein bester Freund und ich sind immer wieder auf den Bestia-Zug aufgesprungen und so lange auf dem Dach geblieben, bis der Schaffner uns heruntergescheucht hat. Einmal stolperte ich und der Zug fuhr ohne mich davon; ich habe meinen Freund seither nicht mehr gesehen. Handys und solche Sachen haben wir nicht. Ich bin der Älteste von sieben Geschwistern; meine Familie hat nicht genug zu essen, weil meine Mutter als alleinerziehende Frau schlecht bezahlt wird. Vor fünf Jahren hat mich die Border Patrol schon einmal in Texas erwischt. Weil ich mir keinen Anwalt leisten konnte, wurde ich 30 Tage eingesperrt und abgeschoben. Ich finde das nicht fair. Verstehen die US-Amerikaner nicht, dass wir nur hart arbeiten wollen, um unsere Familien zu retten?” #trump100 #100DaysOfTrump #borderland #nogales #mexiko #mexico #usa #trump (📷 & Protokoll: @chessocampo)

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“Unsere Farmarbeiter gehen nur noch zum Arbeiten und für die wichtigsten Besorgungen aus dem Haus”, sagt Arturo Rodríguez, Präsident der United Farm Workers und Nachfolger des berühmten Arbeiterführers César Chávez. “Seit der Wahl kaufen sie so selten wie möglich ein, lassen Arzttermine ausfallen, einige haben sogar ihre Kinder aus der Schule genommen. Trump hat per Dekret bestimmt, dass Papierlose ohne Gerichtsverfahren abgeschoben werden können, wenn sie einer Straftat auch nur verdächtigt werden. Seither werden Einwanderer bei Razzien willkürlich festgenommen, vor allem in den Anbaugegenden für Obst und Gemüse – dass unter Erntearbeitern viele Papierlose sind, ist ja kein Geheimnis. Die Kinder der Arbeiter haben Angst, dass ihre Eltern nicht mehr vom Feld zurückkommen. Wir organisieren Anwälte und erklären den Familien ihre Rechte. Sie müssen beispielsweise niemanden ohne richterliche Anordnung ins Haus lassen. Das soziale Leben in den landwirtschaftlichen Gemeinden ist zum Erliegen gekommen, weil alle ihre Freizeit drinnen verbringen.” #trump100 #100daysoftrump #california #unitedfarmworkers #usa #trump #farm #farming (📷 & Protokoll: @chessocampo)

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“Menschen müssen sich an ihrem Arbeitsplatz sicher fühlen können”, sagt Erica Fernandez, die zusammen mit ihrer Freundin Laura De Leon und ihren Kolleginnen Reyna Guzmán und Jenna Mains von der Gewerkschaft #SEIU am #TechStandsUp-Protest im #SiliconValley teilnimmt. “Die Gärtner, Reinigungskräfte und Hausmeister an der Stanford University, die wir vertreten, fürchten Razzien auf dem Campus, seit Trump die willkürliche Abschiebung von Menschen ohne Papiere angeordnet hat. Wir fordern Stanford auf, ein #SanctuaryCampus zu werden, der Studenten und Mitarbeiter ohne Papiere vor Zugriffen der Polizei- und Zollbehörde ICE schützt, aber die Universität weigert sich, weil sie staatliche Sanktionen befürchtet. Als Frau und Einwanderin steht für mich auch persönlich einiges auf dem Spiel, aber ich bin bereit, mich für die Rechte aller Menschen einzusetzen.” #trump100 #100daysoftrump #california #siliconvalley #stanford #stanforduniversity #trump #usa #trumpprotest (📷 & Protokoll @chessocampo)

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