– Uuund? Wie ist es?
Seit meinem Umzug nach Kalifornien bin ich zum ersten Mal zu Besuch in Deutschland. Und erstaunt, wie übergenau ich beobachtet werde.
– Und???
Beim dritten Mal begreife ich: Mein Gegenüber erwartet spätestens jetzt, dass ich in eine Schimpftirade über “die USA” ausbreche. Über die Dürre. Die schlechte Ernährung. Darüber, dass Obama nichts auf die Reihe bekommt. Und natürlich über “die Oberflächlichkeit”.
Nee, Leute. Ich war nie ein Fan, aber dieser Anti-Amerikanismus ist mir zu platt. In Deutschland aufzuwachsen sollte uns doch eigentlich gegen nationale Klischees wappnen. (Mir hat es jedenfalls keinen Spaß gemacht als Teenager in Frankreich auf meine Haltung zur Shoa angesprochen zu werden – als könne man zu einem Genozid eine Meinung haben.)
Aber zurück zur Frage. Wir arbeiten alle bei Monsanto oder bei der NSA, kaufen bei Walmart und schauen Fox News. Dass gerade mehrere Stanford-Studenten bessere Arbeitszeiten für die mexikanischen Putzfrauen und -männer bei der Unileitung einfordern, ist doch eine durchschaubar oberflächliche Freundlichkeit. Dass US-Amerikaner uns ihre Surfbretter leihen und uns auf die höchsten Berge begleiten, natürlich auch. Als Deutsche hätten wir sicher tiefsinnig darüber nachgedacht und geschwiegen.
Bei allem berechtigten Ärger über NSA, TTIP, Guantánamo, etc etc.: “Den” US-Amerikaner gibt es ebensowenig wie “den” Europäer. Die Professorin in Boston hat andere Sorgen und Freuden als der Teenager in Baltimore, die Kubanerin in Miami, der Bauer in Kentucky oder der Start-up-Gründer im Silicon Valley. Und das kalifornische Wasser haben wir nicht in unsere Pools gepumpt – ich habe noch keinen einzigen gesehen! – sondern zu 80 Prozent in die Landwirtschaft. Von dort gelangt es – als Mandel oder Rindfleisch – unter anderem nach Deutschland.
Aber vielleicht ist das ja versteckte Selbstkritik – darin sind “wir Deutschen” ja recht gut. Schließlich kamen die meisten US-Einwanderer bis in die 1960er Jahre hinein aus Deutschland.
Wer hätte gedacht, dass ich einmal die USA verteidigen würde. Der nächste Post wird wieder kritischer, versprochen 😉
CARE package from California: What I absolutely needed back in Germany 😉 pic.twitter.com/PwmlxJTzic
— Christina Felschen (@chessocampo) May 2, 2015