Ahmedovas Fotografien zeigen die Ambivalenz ländlichen Lebens: hier die Geborgenheit in der Gruppe und in der Landschaft, dort die Unerbittlichkeit von Traditionen. Hier das unbeschwerte Spiel der Kinder, dort die bittere Armut ihrer Familien. Mit den erbaulichen Folklorebildern, die der usbekischen Regierung als Schablone für eine neue nationale Identität dienen, haben Ahmedovas Fotografien nichts gemein. Und doch sind sie voller Sympathie für die porträtierten Bäuerinnen und Bauern: Wie die alte Frau sich sorgsam in einem winzigen Handspiegel betrachtet; wie die Geschwister ungeduldig durchs Fenster spähen, wo sich Fladenbrote stapeln – das alles ist liebevoll beobachtet von einer Frau, die – wenngleich namhaft, wenngleich aus Taschkent – nicht stört, die auf Einladung von Freunden und Verwandten in die Dörfer kam.
Die usbekische Regierung sah das anders: Wegen „Beleidigung und Verunglimpfung des usbekischen Volkes“ wurde die 56-jährige Fotografin 2010 festgenommen; eine eigens eingesetzte Kommission urteilte, ihre Serie zeige ein negativ verzerrtes Bild des Landes und porträtiere die Usbeken als „rückwärtsgewandt“ und „mittelalterlich“. Einer längeren Gefängnisstrafe entging Ahmedova nur dank einer Amnestie.
Umida Ahmedova bei einem Kongress in Berlin 2011, Foto: CF |
„90 Prozent der Fotos wurden in isolierten, unterentwickelten usbekischen Dörfern gemacht“, heißt es im Polizeibericht. „Warum zeigt die Fotografin keine schönen Plätze, moderne Gebäude oder reiche Dörfer?” Ja, warum eigentlich hat sich Ahmedova nicht zum Sprachrohr der Regierung gemacht? Usbekistan belegt in Sachen Pressefreiheit Rang 157 (von 179). Präsident Islam Karimov, der das Land schon zu Sowjetzeiten regierte, hat Erfahrung damit, Kritiker zum Schweigen zu bringen und „korrumpierende“ Medien zu zensieren. Mittelalterlich? Durchaus.
Headerfoto: Umida Ahmedova