Wenn der letzte Baum gerodet ist

Während sich die Welt den Kopf über Klimawandel und Artensterben zerbricht, präsentiert Ecuador einen handfesten Plan: Sie würden den Regenwald von Yasuní auf Dauer schützen, wenn andere Länder sich an den entgangenen Gewinnen aus der Ölförderung beteiligt. Doch Entwicklungsminister Niebel blockiert die Idee.

Kommentar veröffentlicht im Nord-Süd-Magazin INKOTA-Brief, 03/2011, S.4 >>

Das Kichwa-Dorf Sarayaku im ecuadorianischen Regenwald ist von Zerstörung umzingelt, von gerodeten Flächen und vergiftetem Grundwasser. Doch eine einfache Idee schützt das unbeugsame Dorf vor dem Eindringen der Erdölfirmen: Sie haben sich mit einem Kreis aus Bäumen umgeben, für die Nichtregierungsorganisationen, Privatleute und Unternehmen weltweit Paten stehen. Wird einer zerstört, empört sich die Welt. Die Yasuní-Initiative nutzt das Prinzip Öffentlichkeit auf ähnliche Weise: Nur verschwinden die Paten, seit Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) den Schulterschluss im letzten Herbst durchbrochen hat. Noch wären die Bagger aufzuhalten, doch die Zeit wird knapp.

Es sollte ein Pilotprojekt werden, entstanden aus einer Idee des Südens und getragen von einem internationalen Fonds: die Yasuní-Initiative im Amazonasregenwald. Ecuador verschont über Tausend Quadratkilometer im UNESCO-Biosphärenreservat Yasuní dauerhaft vor der Erdölförderung, wenn Konsumentenstaaten die Hälfte der Gewinnausfälle mit Zahlungen in einen UN-Treuhandfonds kompensieren. Mit diesem Geld würde Ecuador den Ausbau erneuerbarer Energien sowie soziale und ökologische Projekte fördern. Für die internationale Gemeinschaft eine Chance zu beweisen, dass ihr der Schutz der Artenvielfalt etwas wert ist und sie ihn nicht allein auf die ärmsten Länder abwälzt.

So weit der Plan – „Plan A“, wie er in Ecuador lange Zeit optimistisch genannt wurde. Deutschland war seit 2008 ein wichtiger Motor der Initiative; unter der ehemaligen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hatte der Bundestag langfristigen Zahlungen in dreistelliger Millionenhöhe zugestimmt. Der Rückzieher ihres Nachfolgers gefährdet das gesamte Projekt: Gerade einmal 38 Millionen US-Dollar hätten die Industrieländer bislang zugesagt, gab Präsident Rafael Correa im Februar bekannt – deprimierende ein statt fünfzig Prozent der potenziellen Erdöleinnahmen aus dem Yasuní-Gebiet (7,2 Milliarden US-Dollar). Darunter sind auch symbolische 100.000 US-Dollar aus Chile und das Taschengeld vieler ecuadorianischer Schulkinder, die ein Zeichen setzen wollen.

Deutschland setzt auch ein Zeichen, ein Zeichen des Misstrauens und der Unzuverlässigkeit. Niebel verabschiedet sich von einer wegweisenden international koordinierten und überwachten Initiativen und stößt die Welt in Nord und Süd vor den Kopf. Die Yasuní-Initiative lehnte er ab mit dem Argument, dies schaffe einen „Präzedenzfall“ für die Klimaverhandlungen: Da könnte ja jeder kommen und ein Gebiet gegen Geld schützen wollen. Aber müsste ihm als Entwicklungsminister nicht genau daran gelegen sein?

Klima- und Entwicklungspolitik müssen endlich eine globale Angelegenheit werden – unser Konsum und die Auswirkungen der Erderwärmung sind es ja auch. Bislang war Ecuador auf die Petrodollars angewiesen. Ölförderung und -export machen drei Fünftel seines Bruttosozialprodukts aus – ein Wirtschaftsmodell mit begrenzter Perspektive und tragischen Folgen. Ecuador hat die Bewahrung seiner ökologischen und kulturellen Vielfalt in der Verfassung festgeschrieben; mit dieser Vielfalt könnte es vorbei sein, wenn im Dezember die Bagger anrollen. Genau das wird passieren, wenn die Industrieländer ihre Versprechen nicht halten, daran ließ Correa beim Besuch des UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon in Quito kürzlich keinen Zweifel.

Wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet ist, wird auch Niebel verstehen, dass er seinen Entwicklungsetat besser hätte einsetzen können. Aber dann wird es zu spät sein.

Foto: CC Joshua Bousel/flickr.com