Umweltengel Vattenfall?

Der Energiekonzern Vattenfall darf auf der Klimakonferenz in Kopenhagen als Berater und Partner der UN-Umweltbehörde auftreten. Dabei bezieht er nur fünf Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen und baut weiterhin Kohlkraftwerke. Wie rechtfertigen die Vereinten Nationen diese Partnerschaft?

gesendet bei NDR Info am 2.12.2009 >>

Anmod:
Solargelb und wasserkraftblau leuchtet das Logo von Vattenfall, dabei spielen erneuerbare Energien für die deutsche Tochter des Energiekonzerns kaum eine Rolle. Nach eigenen Angaben produziert Vattenfall Europe gerade einmal fünf Prozent seiner gesamten Energie mit der Kraft von Wind, Wasser und Sonne. Im Bundesdurchschnitt ist dieser Anteil rund drei Mal so hoch. Trotzdem tritt Vattenfall bei der Klimakonferenz in Kopenhagen als Berater auf – und als Partner der UN-Umweltbehörde. Christina Felschen über eine PR-Kampagne unter dem Dach der Vereinten Nationen.

O-Ton (Vattenfall-Kampagne):
„[…] genau wie ein See nur begrenzt Verschmutzung verträgt, bevor Fische und andere Organismen sterben, so verträgt auch die Erde nur eine begrenzte Menge Treibhausgase, die bei der industriellen Produktion entstehen.“

Sprecher:
Das sagt keine Umweltorganisation, sondern der Energiekonzern Vattenfall in seiner jüngsten Werbekampagne. Ist der Kohlekonzern zum Klimaretter geworden?
Weit gefehlt: Nach wie vor schadet Vattenfall dem Klima mehr als jeder andere Energieproduzent in Deutschland. Nach eigenen Angaben verursachte Vattenfall Europe im letzten Jahr fast Tausend Gramm Kohlendioxid beim Erzeugen von einer Kilowatt-Stunde Strom. Laut Umweltbundesamt liegt Vattenfall damit 60 Prozent über dem Bundesdurchschnitt.

Atmo: Baustelle (bis „Elbe“ drunterlassen)

Sprecher:
Hamburg-Moorburg, eine riesige Baustelle direkt an der Elbe: Seit zwei Jahren entsteht hier eines der größten Steinkohlekraftwerke Europas, eine CO2-Schleuder, die den deutschen Klimazielen voraussichtlich noch 40 Jahre lang im Weg stehen wird. So sehen es Umweltverbände. Wären da nicht die Auflagen des Hamburger Senats, würde Vattenfall seinen Plan wahr machen und das Kühlwasser der Elbe entnehmen – mit dramatischen Folgen für das Ökosystem des Flusses.
Ausgerechnet die Klimakonferenz in Kopenhagen ermöglicht es dem fünftgrößten europäischen Stromkonzern, nun sein Image reinzuwaschen. Dort nämlich taucht der Konzern als Partner der Vereinten Nationen auf. Zusammen mit der UN-Kampagne „Seal the Deal“ hat Vattenfall den Staatschefs schon im Vorfeld seine „Klimaerklärung“ überreicht:

O-Ton (Vattenfall-Kampagne) (wegen kurzer Musikrampe vorne und hinten etwas früher rein und später raus):
Die Erklärung enthält drei Forderungen: 1. Wir brauchen einen weltweit gültigen Preis für die Belastung mit CO2-Emissionen, 2. wir brauchen mehr Förderung für klimafreundliche Technologien, 3. wir brauchen Klimaschutzstandards für Produkte.

Sprecher:
Vattenfall-Sprecher Steffen Herrmann sagte NDR Info, die Konferenz sei für den Konzern von großer Bedeutung; man erwarte richtungsweisende Entscheidungen für die zukünftige Wirtschafts-, Umwelt- und Klimapolitik. Mit der Unterschriftenkampagne will Vattenfall den Politikern eine Richtung weisen, so sieht das Greenpeace: Demnach sollen vor allem andere für die Schäden bezahlen, die Energieproduzenten mit dem CO2-Ausstoß anrichten: 1. Schwellen- und Entwicklungsländer, die kaum Schuld an der globalen Erwärmung tragen, 2. die Bürger mit ihren Steuergeldern und 3. die Verbraucher. Eine Viertelmillion Menschen haben das Vattenfall-Manifest unterschrieben; Achim Steiner, Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, ist nicht darunter. Trotzdem verteidigt er die gemeinsame Kampagne:

O-Ton (Achim Steiner):
„Seal the Deal“ bedeutet ja, dass wir einen Appell an diejenigen richten, die eine Möglichkeit haben die Verhandlungen in Kopenhagen mitzugestalten, zu beeinflussen; sicherzustellen, dass wir dort nicht nur eine Luftblase verhandeln. Ein Energiekonzern, der sich erstmals dazu äußert, dass Klimawandel kein theoretisches Konstrukt ist, sondern ein konkreter Handlungsbedarf, verdient erst einmal die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.

Sprecher:
Doch längst nicht alle bekommen die Gelegenheit diese „Luftblase“ mit ihren Appellen zu füllen. Mehrere Tausend Lobbyisten aus der Industrie werden in Kopenhagen erwartet, doch nur ein paar Hundert Vertreter von Nichtregierungsorganisationen. Dies liege an den ungleichen Möglichkeiten der Einflussnahme, sagt Yiorgos Vassalos von der europäischen Lobbybeobachtungsstelle. So sieht das auch Paul de Clerck, der als Vorsitzender von Friends of the Earth selbst Lobbyarbeit für Umweltverbände in Brüssel betreibt:

O-Ton (Paul de Clerck):
What we find problematic is that decision makers give priviledged access to company lobbyists.
Lobbyists from all these big international companies have way to much influence on decision makers like in UNEP. It’s of course always the dirtiest companies who have the biggest interest, because they have the most to loose so they are the most active in lobbying.

Voice-Over:
Das Problem liegt darin, dass Politiker Industrielobbyisten bevorzugen. Lobbyisten von großen Unternehmen haben viel zu viel Einfluss, auch auf die Umweltbehörde der Vereinten Nationen. Die dreckigsten Konzerne haben auch am meisten zu verlieren, deshalb sind sie auch die aktivsten Lobbyisten.

Sprecher:
UNEP-Direktor Achim Steiner und Vattenfall-Chef Lars Josefsson haben die Partnerschaft auf dem Wirtschafts- und Umwelttreffen „Global Compact“ im September angebahnt. Ein vergleichbares Treffen mit Nichtregierungsorganisationen hat es nicht gegeben.

Headerbild: Vattenfall-Kraftwerk Boxberg, CC wikimedia.org