Das Reise-Manifest

Wie hole ich das Beste aus meinen Reisen heraus, ohne die Umwelt übermäßig zu belasten oder den Einheimischen auf den Geist zu gehen? Dieses (unvollständige und nicht immer erfüllte) Reise-Manifest versucht eine Antwort. Von A wie Abfall bis Z wie Zuhause.

  • 1. The way is the destination!
    1. The way is the destination!
  • 2. Take your time, not the plane!
    2. Take your time, not the plane!
  • 4. Be inventive!
    4. Be inventive!
  • 5. Traveling should be a human right!
    5. Traveling should be a human right!
  • 8. Less luggage, better holidays!
    8. Less luggage, better holidays!
  • 9. Trust and be trusted!
    9. Trust and be trusted!
  • 12. Know the risks!
    12. Know the risks!
  • 13. Enjoy!
    13. Enjoy!
  • 16. Find a place called home!
    16. Find a place called home!

Für die Eiligen unter Euch habe ich hier Andys Lieblingsmanifest:

1. look good!
2. have fun!
3. be safe!

Und – same same, but different – noch mal in lang:

1. Nimm Dir Zeit, …

Wer meint, schon alles gesehen zu haben, muss nur das Verkehrsmittel wechseln. Ich habe Europa vor meinem 23. Lebensjahr nicht verlassen und bin bis dahin erst zwei Mal geflogen. Mittlerweile sieht das etwas anders aus, aber unter meinen intensivsten Reiseerinnerungen sind bis heute: im Kajak über die Ostsee paddeln, an der „Haltestelle“ eines rumänischen Roma-Dorfs aus dem fahrenden Zug springen, monatelang kreuz und quer durch Buenos Aires laufen, vom tiefen Sachsen-Anhalt ins tiefe Westfalen radeln (und „Deutschland in 100 Dialekten“ erleben), per Anhalter nach Marseille und in Marktbussen durch Bolivien reisen – Hühner und Kinder auf dem Schoß.

2. … nicht den Flieger!

Wer viel fliegt, versaut sich seinen Ökologischen Fußabdruck. Immerhin können „Klimasünder“ für Klimaschutz anderswo spenden, zum Beispiel bei Atmosfair – moderner Ablaßhandel, aber besser als gar nichts. Beruflich fliege ich viel zu viel, privat verzichte ich auf Kurz- und Mittelstrecken. Mit Arbeitsmigranten im Bus nach Rumänien (38 Stunden) oder Erasmusstudenten im Nachtzug nach Barcelona – mit Tagesbesuch in Paris – habe ich viel erlebt und ein Gefühl für die Entfernung bekommen. Da kommt Ryanair nicht mit! Wer sich als Bahnfahrer mal selbst auf die Schulter klopfen will, kann unter jeder Reiseverbindung den „UmweltMobilCheck“ machen: „Wärst Du von Hamburg nach München geflogen statt die Bahn zu nehmen, hättest Du vier Mal so viel CO² verbraucht“, liest man da sinngemäß. Gute Eigenwerbung der Bahn, aber die Tendenz dürfte stimmen.

3. Finde das Besondere nebenan!

Es muss ja nicht Balkonien oder die Reise durchs eigene Schlafzimmer sein, aber viele Abenteuer lauern gleich vor der Haustür oder zumindest auf dem eigenen Kontinent.

4. Sei erfinderisch!

Überlege Dir Deine eigenen Touren – mehr als eine fixe Idee und eine Karte brauchst Du dafür nicht. (Topografische Karten für die USA gibt es hier kostenlos >>)

5. Reisen ist ein Menschenrecht!

Gut, nicht offiziell, aber es sollte eines sein 😉 Eure Eltern oder Kinder freuen sich sicher über eine gemeinsame Reise; Inspirationen könnt Ihr Euch bei der großartigen Family Without Borders holen!

6. Die Reise fängt zu Hause an!

“Touristen wissen nicht, wo sie waren; Reisende wissen nicht, wohin sie gehen”, soll der US-Reiseautor Paul Theroux mal gesagt haben. Ich habe nie verstanden, warum Leute vor einer Reise bebilderte Reiseführer studieren – das würde mir alle Spannung verderben. Bei einem Krimi lese ich ja auch nicht zuerst das Ende. Auf meiner mehrmonatigen Solotour durch Lateinamerika hatte ich zwar einen telefonbuchartigen Lonely Planet dabei, bin dann aber doch lieber den Tipps der Locals und anderer Backpacker gefolgt. Fotos bin ich regelrecht ausgewichen, und so konnte ich wirklich einen ganzen Tag lang staunend durch Machu Picchu laufen, weil ich noch keine Erwartungen im Kopf hatte.
Anders bei Literatur: Kurzgeschichten und Romane lokaler AutorInnen geben mir ein Gefühl für die Mentalität und Geschichte einer Gegend, ohne zu viel zu verraten. Wer keinen Länderexperten oder Literaturkritiker im Freundeskreis hat, wird vielleicht hier fündig: internationales literaturfestival berlin oder Haus der Kulturen der Welt/Internationaler Literaturpreis. Unvergessen für mich waren “Hungry Tide/ Hunger der Gezeiten (Amitav Ghosh)” für die indischen Sundarbans, “Der zerrissene April (Ismail Kadare)” für Albanien, “Hundert Tage (Lukas Bärfuss)” für Ruanda und “Der weiße König (György Dragomán)” für Rumänien.

7. Sei vorbereitet!

Wer tagelang weit draußen unterwegs ist, muss nicht nur genügend Nahrung dabeihaben, sondern auch medizinisches Grundwissen. Erste-Hilfe-Kurse gibt es fast geschenkt und fast jederzeit in jeder Stadt – zum Beispiel beim DRK und bei den Maltesern. Allen, die mehr lernen möchten, kann ich die Seminare der Outdoorschule Süd sehr empfehlen! Die Theoriestunden (Flipcharts und Anatomiemodelle mitten im Wald!) werden immer wieder durch lebensechte Unfallsituationen unterbrochen. Nichts für schwache Nerven, aber unvergesslich! Und Erste-Hilfe-Kenntnisse nützen nicht nur weit draußen: Die Chance, in Seattle einen Herzstillstand zu überleben, liegt bei 62 Prozent; in New York nur bei 5 Prozent – unter anderem, weil Bewohner von Seattle regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse besuchen.

8. Weniger Gepäck, mehr Urlaub!

Wie oft habt Ihr die „Wechselhose“ bei einer Outdoortour wirklich gebraucht? Eben. Obwohl ich schon oft genug unter 30-Kilo-Rucksäcken gestöhnt habe, mache ich es immer wieder falsch. Die lächerlichsten Sachen, die ich je auf Wanderungen mitgenommen habe: Partypflaster (statt Blasenpflaster), ein 4-Kilo-Teleobjektiv, das ich nicht benutzt habe und Sommerkleider – ja, im Plural.

9. Die Welt ist kein Ponyhof

– und wir sind nicht im Museum. Respekt den Einheimischen gegenüber sollte selbstverständlich sein. Sonst werden die Thailänder/Bolivianer/Schweden irgendwann genauso über ihre Touristen herziehen wie die Berliner jetzt schon. Wenn Dich jemand fotografiert ohne zu fragen, bist Du wahrscheinlich nicht begeistert; wenn er ein Nicken abwartet oder Dich anspricht – vielleicht sogar in Deiner Sprache – wäre es sicher kein Problem.
Die Gastfreundschaft in den meisten Ländern ist überwältigend, erst recht nach deutschen Maßstäben. Nachdem uns mehrere Rumänen gewarnt hatten, wir würden im oben erwähnten Roma-Dorf bloß ausgeraubt werden, ist natürlich das Gegenteil passiert: Wir wurden zum Essen nach Hause eingeladen und beschenkt – mit einem Jesus-Kühlschrankmagneten 😉 Wie so oft wünschte ich mir, kleine Geschenke oder Fotos von meiner Familie dabeizuhaben. Nächstes Mal!

10. Geiz ist nicht geil!

In Lateinameria habe ich viele Touristen getroffen, die sich über die „Abzocke“ der Busfahrer beschwerten, die uns gring@s gerne mal den 2-4-fachen Preis berechneten. Wenn ich bedenke, dass wir etwa das 50-fache verdienen, habe ich keine Lust mehr zu handeln und größtes Verständnis für gewitzte Busfahrer. Community-Tourismusprojekte haben viel mehr (Einsichten) zu bieten als internationale Hotelketten – und jeden Euro verdient.

11. Hinterlasse keine Spuren!

Offizielle Outdoorregel. Und wenn es geht, nimm noch Müll mit. Beeindruckt haben mich meine Freunde Inma und Troy, die beim Wandern und Surfen tütenweise Müll mitnehmen.

12. Gehe keine Risiken ein! Kenne die Risiken!

Zu den eigenen Grenzen zu stehen ist überlebenswichtig. Vor den ersten Wildnistouren in Nordschweden haben wir unsere Belastbarkeit getestet – gleich hinterm Haus, im Göttinger Wald.

13. Enjoy!

Outdoor-Touren sind kein Wettbewerb – auch wenn sich manche Wanderer und Kletterer so benehmen. Sie sind so schon anstrengend genug.

14. Sharing is caring!

„Humans!“ riefen zwei Wanderer lachend, als sie uns in den nordkalifornischen Bergen sahen; sie hatten wohl eher mit Bären gerechnet. Gerade außerhalb der Saison können Tage vergehen, bis man andere Menschen trifft. Nutzt diese Begegnungen und tauscht Euch über den Weg aus. Und wenn sich an einer Wegstrecke etwas Wesentliches geändert hat, schreibt dem Autoren Eures Wanderführers. Andere Wanderer werden sich freuen! Gegen Ende einer Dreitagestour im Death Valley war uns plötzlich eine 10-Meter-Felswand im Weg – wahrscheinlich war das Flussbett in einem Starkregen vollkommen erodiert. Wenn wir nicht noch einen „Weg“ über steile Geröllwände gefunden hätten, hätten wir mit sehr wenig Restwasser zwei Tage zurücklaufen müssen.

15. Länder zählen ist der Penisvergleich für Reisende.

Egal wie weit und viel Du gereist bist: Vergiss nicht, dass Reisen ein Privileg ist, das wir der Gastfreundschaft im Zielland, unserem Geld, unserer Zeit, unserer Gesundheit, Jugend und Unabhängigkeit zu verdanken haben. Das alles sind keine persönlichen Verdienste, sondern reines Glück.

16. Finde ein Zuhause!

Für immer im Transit zu leben finde ich nicht erfüllend. Ich genieße Reisen mehr, wenn ich weiß, dass ich irgendwohin zurückkommen kann. Er reise nach Battersea, lässt der britische Autor G. K. Chesterton in The Riddle of the Ivy einen Mann aus Battersea sagen – “über Paris, Belfort, Heidelberg und Frankfurt”. Und: “Die ganze Reiserei ist nicht dazu da, fremdes Land zu betreten; schlussendlich ist sie dazu da, das eigene als ein fremdes Land zu betreten.”

17. Es gibt keine Regeln 😉

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