Vergessene Themen 2017: der Bürgerkrieg im Jemen

Donald Trump, Nordkorea, der Brexit, Katalonien und der Bürgerkrieg in Syrien – diese Themen hielten die Welt 2017 so sehr in Atem, dass andere Geschichten oft keine Chance hatten. Auch über den Bürgerkrieg im Jemen, wo Millionen Zivilisten zwischen die Fronten geraten, hören wir verhältnismäßig wenig. In der Sondersendung des Podcasts “Was Jetzt?” widmen wir uns den vergessenen Nachrichten des Jahres 2017.

veröffentlicht in der Sondersendung des Podcasts “Was Jetzt?” von Zeit Online am 14. Dezember 2017 >>

Ich finde, wir hätten dieses Jahr mehr über den Bürgerkrieg im Jemen berichten müssen. Da sind ja Millionen Zivilisten zwischen die Fronten geraten und von Hunger und Epidemien bedroht. Und trotzdem hören wir vergleichsweise wenig aus dem Land. So richtig Klick gemacht hat es bei vielen erst, als der UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock letzten Monat seine Warnung aussprach, er sagte: “Wir reden hier nicht von einer Hungersnot wie die im Sudan mit Zehntausenden Toten, auch nicht wie die in Somalia mit 250.000 Toten. Ich warne Euch vor der größten Hungersnot, die die Welt seit Jahrzehnten gesehen hat, mit Millionen Opfern.” Eindringlicher hätte man es gar nicht sagen können: Im Jemen droht nach drei Jahren Bürgerkrieg eine humanitäre Katastrophe, weil die Militärkoalition unter Saudi-Arabiens Führung die Häfen blockiert hat und Hilfslieferungen nicht durchkommen. Das hat sich zeitweise wieder gebessert, ist aber immer noch nicht stabil.

Dass wir nicht mehr über das Thema hören, hat viele Gründe: Zum einen hielten Donald Trump, Nordkorea, der Brexit, Katalonien und der Bürgerkrieg in Syrien die Welt 2017 so sehr in Atem, dass andere Themen keine Chance hatten. Es sind aber auch kaum ausländische Journalisten im Jemen, zudem scheint die Gemengelage kompliziert und weit weg: Da sind die schiitischen Huthi-Rebellen, die mit Unterstützung des Iran gegen die Regierungstruppen im Süden kämpfen, die wiederum von den Saudis und deren Verbündeten unterstützt werden. Und dann gab es noch Ex-Präsident Ali Abdullah Salih, der lange die Huthis unterstützte, sich zuletzt aber den Saudis annäherte – und daraufhin vor kurzem ermordet wurde. Dabei ist Deutschland ja gar nicht so unbeteiligt; immerhin haben deutsche Firmen auch dieses Jahr wieder milliardenschwere Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien gemacht.

Die Lage im Jemen ist ähnlich verzweifelt wie in Syrien, 20 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen, zwei Millionen Menschen sind im Land auf der Flucht, fast 10.000 sind gestorben. Doch die Jemeniten sitzen in der Falle, der Weg nach Europa ist versperrt: Über Saudi-Arabien im Norden können sie nicht ausreisen, im Süden liegt der Golf von Aden und dahinter bloß Somalia oder Dschibuti – auch keine bessere Alternative. Für den Fall, dass doch mal ein Jemenit dem Krieg entkommt, hat US-Präsident Trump das Land auf die Liste der sechs muslimischen Länder gesetzt, aus denen niemand ohne Weiteres in die USA einreisen darf.

Auch deshalb kriegen wir nichts mit; zu uns kommen keine Flüchtlinge, die vom Krieg im Jemen berichten könnten. Doch die Journalistin Suaad Abdullah al Salahi lebt in Sanaa, in einer Email an Zeit Online schildert sie, wie es derzeit in der umkämpften Hauptstadt Sanaa aussieht. Sie schreibt: “Krieg ist, wenn Dein Haus zum Rückzugsort für Heckenschützen wird, die Schule zum Flüchtlingszentrum, das Krankenhaus zur Leichenhalle. Wenn sich in Deiner Nachbarschaft der Müll ansammelt und Deine Stadt zu einem Geisterhaus wird.” Und sie schreibt auch: “Ich habe Angst, ich will in diesem ungerechten Krieg nicht sterben. Ich will in Frieden alt werden.”