Auf dem Weg der unbekannten Toten

Kat Rodriguez hat einen der härtesten Jobs im Grenzland zwischen Mexiko und den USA: Sie hilft Familien aus Zentralamerika ihre verschwundenen Angehörigen zu finden. In der Wüste hinter ihrem Haus werden jährlich Leichen von mehreren Hundert Migranten gefunden, die dort durch Hitze, Kälte oder Schussverletzungen sterben. Kat hat 70 Frauen, Männer und Kinder auf den Weg der Migranten mitgenommen.

gesendet bei SWR2 Tandem am 7. und 8. Novemer 2016 und am 14. August 2018 >>, Manuskript (Pdf) >>

Kat Rodriguez hat einen der härtesten Jobs an der US-mexikanischen Grenze. Sie hilft Familien in Mittelamerika zu erfahren, was mit ihren Angehörigen passiert ist, die auf dem Weg in die USA verschwunden sind. Oft wird sie in der Wüste von Sonora fündig, die gleich hinter ihrem Gartenzaun beginnt. Dort werden jährlich Hunderte Leichen geborgen – Unbekannte, gestorben an Hitze, Kälte oder mysteriösen Kopfverletzungen. Sie gleicht die Kleidung und DNA der Toten mit den Indizien der Familien im fernen Honduras, Guatemala oder Mexiko ab. Jeder Treffer ist eine Tragödie, doch auch ein Anfang vom Ende ihrer Trauer.

Es ist eine Erfahrung, die einsam machen akann, sagt Kat. Kein Thema für Familienfeiern, kein Job, den sie ihren kleinen Zwillingen zeigen könnte. Das sagen auch Gail Kocourek, die Wasser in der Wüste verteilt. Und Flor, die in den 80er Jahren selbst mit ihren Eltern über diese Grenze geflohen ist.

A migrant’s torn backpack in the Sonoran desert between the US and Mexico

A migrant’s torn backpack in the Sonoran desert between the US and Mexico

This cross is a reminder of 14-year-old Josseline Jamileth Hernández Quinteros from El Salvador, who died while crossing the desert.

This cross is a reminder of 14-year-old Josseline Jamileth Hernández Quinteros from El Salvador, who died while crossing the desert.

 

Donald Trump wants to fortify this border fence even further if he is elected president.
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Not to be stopped: A dove flies over the US-Mexican border that was built after 9-11.

Not to be stopped: A dove flies over the US-Mexican border that was built after 9-11.

 

 

 

 

Als George W. Bush nach 9-11 die Grenze verstärkte – um Terroristen abzuwehren, wie er sagte – wichen die Einwanderer auf die entlegensten Routen aus, etwa durch die Wüste südlich von Tucson. Seither wird Kat immer öfter ins Leichenhaus gerufen, bis sie es nicht mehr aushält. 2003 beschließt sie zusammen mit anderen Anwohnern die gleiche Strecke zu gehen wie die Migranten. Jährlich, bis das Sterben endet.

Es endete nicht und Kat läuft noch immer: Im Juni 2016 waren 70 Frauen, Männer und Kinder für sieben Tage zu Fuß von Sonora/Mexiko bis Tucson/USA unterwegs, 120 Kilometer bei Temperaturen über 40 Grad Celsius. Jede mit dem Kreuz eines Migranten, der es nicht geschafft hat. Darunter auch Flor, Saulo und Natividad, die selbst als Kinder auf diesem Weg geflohen sind.

Ich habe sie auf dem ganzen Weg begleitet und erzähle in diesem Radiofeature, wie die einzelnen versuchen das Sterben zu stoppen und dabei doch unendlich langsam vorankommen.

Am letzten Tag erfahren Kat und die anderen, dass gerade nicht weit von ihrem Camp zwei Migranten gestorben sind. Zehn weitere wurden von der Grenzpolizei verhaftet. Viele denken an die zehn jungen Männer aus Honduras, die sie in Sasabe getroffen haben – kurz vor ihrem Aufbruch. Eine Karte hatten sie nicht – nur einen Rosenkranz und die feste Überzeugung es zu schaffen.