Goldrausch im Silicon Valley

San Francisco und die Bay Area gelten als Traum für Software-Ingenieure aus der ganzen Welt. Nicht-Techies haben es im Wilden Westen schwer. Über junge Deutsche, die hier ihr Glück versuchen, CEOs in Kapuzenpullis und Briefträgerinnen mit Doktortitel.

Reportage veröffentlicht im Magazin Uniglobale, 4/2016 >>

“Mit weichen Knien stand ich vor ihrer Tür, den Lebenslauf in der Hand.” Es ist still auf dem Campus der Universität Stanford, ab und zu ruft eine Eule, zehn Frauen und ein Mann sitzen im Mondschein um einen Tisch herum und lauschen Clotildes* Geschichte. Die Projektmanagerin war ihrem Mann aus Frankreich an die Universität Stanford gefolgt, weil er ein Journalistenstipendium bekommen hat.

“Ich hatte mich bei einer Professorin als wissenschaftliche Assistentin beworben und wochenlang nichts gehört”, erzählt Clotilde weiter. Sie fühlte sich wie eine Schülerin, jederzeit darauf gefasst aus dem Büro gekickt zu werden. Doch sie bekam ihre halbe Minute, ihren Elevator Pitch im Türrahmen – die Gelegenheit zu erwähnen, dass sie in Moskau und zu Gesundheitspolitik gearbeitet hat. In der ausgeschriebenen Stelle ging es um Tabak-Regulierungen in Russland. Die Professorin horchte auf, plötzlich interessiert. Clotilde bekam die Stelle. Ihre Bewerbung hatte niemand gelesen.

Die Frauen am Tisch horchen ebenfalls auf. Monatelang hatten sie gemeinsam mit Clotilde Bewerbungsgespräche simuliert, Lebensläufe redigiert und Online-Profile optimiert – und nun endlich eine Erfolgsgeschichte! Eine, die zeigt, dass es in der Monokultur des Silicon Valley Nischen gibt für Leute, die nicht zufällig Programmierer sind und nicht einmal aus den USA stammen. Sie reichen Wein und Kekse herum, die Clotilde mitgebracht hat – eine Gruppentradition. Wer eine Stelle findet, gibt einen aus. Es ist spät am Abend, doch sie haben alle Zeit der Welt. Ihre Partner werden nicht vor Mitternacht aus dem Büro kommen.

Das Silicon Valley erlebt gerade einen zweiten Goldrausch. „Wer als guter Programmierer an die Westküste kommt, kann sich den Arbeitgeber aussuchen“, sagt Emrah Gursoy, der das Karrieretraining der Stanford-Partner leitet und selbst als Consultant bei Hewlett-Packard arbeitet. “Die Firmen haben Schwierigkeiten ihre Stellen zu besetzen.” Weil der US-Markt den Bedarf nicht decken kann, sponsern kalifornische Tech-Unternehmen ausländischen Programmierern H1B-Visas. 2015 wurden mehr als 230.000 Anträge gestellt, doch die Regierung gibt bloß 65.000 Visas per Losverfahren aus. Die US-Universitäten bilden zwar mittlerweile mehr Software-Ingenieure aus, doch bis die Neuen die Lücke füllen können, reißen sich die Firmen um die wenigen Talente.

Dafür lassen sie sich einiges einfallen: Software-Unternehmen ziehen zunehmend vom Silicon Valley ins 50 Kilometer nördlich gelegene San Francisco, weil es als Wohnort für die Programmierer attraktiver ist als der suburbane Dschungel der Bay. Große Unternehmen wie Facebook und Google, die ihre Firmensitze nicht verlegen können, chartern klimatisierte Pendlerbusse mit WLAN, die die Angestellten aus den hippen Stadtvierteln abholen – natürlich ebenso kostenlos wie das Kantinenessen und die Freizeitangebote. „Unternehmen behandeln ihre Angestellten mit mehr Respekt als in Europa“, sagt Gursoy. „Sie wissen, dass die Programmierer ruckzuck bei der Konkurrenz sind, wenn es ihnen nicht mehr gefällt. Länger als zwei Jahre beim gleichen Arbeitgeber zu bleiben, ist hier unüblich.“

Praktikantengehälter ab 5.000 US-Dollar

Vor allem aber locken sie mit Geld: 100.000 US-Dollar für Software-Ingenieure sind als Einstiegs-Jahresgehalt üblich, herausragende Talente verdienen bis zu einer Million im Jahr. Die großen Firmen locken junge Programmierer mit Praktikantengehältern von 5.000 US-Dollar aufwärts direkt von der Uni – und versuchen die Besten zum Bleiben zu bewegen.

Doch die Frauen am Tisch sind keine Software-Ingenieure, sie sind erfolgreiche Lehrerinnen, Ärztinnen und Projektmanagerinnen in ihren Zwanzigern und Dreißigern. Wer sich als Ausländer zum ersten Mal in den USA bewirbt, macht hier meist einen Schritt zurück”, räumt Gursoy ein. Auch er begleitete seine Frau aus der Türkei nach Stanford, doch mit einem MBA-Studium und Arbeitserfahrung in den USA hatte er es leichter; die Recruiter konnten die Institutionen in seinem Lebenslauf schlichtweg besser einordnen. Um seine Erfahrung zu teilen, hat er bisher 60 Partnerinnen von Stanford-Wissenschaftlern – fast ausschließlich Frauen – ehrenamtlich bei der Jobsuche geholfen.

Gursoy ist stolz darauf, dass bisher alle einen Job gefunden haben. Doch auch wenn einige wie Clotilde an ihre Karrieren im Heimatland anknüpfen können: Viele finden nur Praktika oder Aushilfsstellen, die knapp die Miete abdecken: als Postzustellerinnen, Eisverkäuferinnen oder Rezeptionistinnen mit Diplom oder Doktortitel. Die meisten von ihnen leben nicht weit von Marc Zuckerbergs erster Villa in Garagen oder winzigen Apartments. Die Miete für eine Zwei-Zimmer-Wohnung in San Francisco kostet im Schnitt über 3.000 Euro monatlich, Tendenz steigend – ohne einen Tech-Job unbezahlbar.

Erfolg und die bloße Hoffnung auf Erfolg, Epizentren des Fortschritts und gesellschaftliche Randgebiete liegen im Silicon Valley eng beieinander.

Im Epizentrum der Gründer

Die Market Street 488 in San Francisco – der so genannte Runway – gehört zu den Epizentren: Eine umgebaute Fabrikhalle im Stadtzentrum, in der neben dem Twitter-Hauptquartier 80 Start-ups an ihrem Durchbruch arbeiten, Tisch an Tisch, Schulter an Schulter. Der Runway will frei und provisorisch wirken, mit offenliegenden Rohren, Sichtbeton und Loftarchitektur, doch die Portiers am Eingang und ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem kontrollieren jeden Besucher genau. Single-speed bikes lehnen an Tapeziertischen, in der Tische steht der obligatorische Kickertisch; es sieht aus als könnten die Unternehmen jederzeit aus- oder weiterziehen. Und so ist es; die Gründer sind die neuen Pioniere, ihre Grenze rückt immer weiter vor.

Im Aufzug und den Coffee Corners sind alle Akzente der Welt zu hören; wären Frauen oder Menschen über 35 zu sehen, käme man fast auf die Idee von Vielfalt zu sprechen. Karsten Beyers Akzent ist unverkennbar sächsisch, der schlaksige junge Mann stellt sich als COO von Data Virtuality vor – “dem ersten logischen Data Warehouse”.

Während eines Auslandssemesters in den USA wurde Beyer klar, dass er den Amerikanischen Traum leben wollte. “Ich war begeistert zu sehen wie schnell man mit Leuten ins Gespräch kommt”, erzählt der heute 26-Jährige. “Als ich zum ersten Mal nach San Francisco kam, bat ich meinen Nachbarn im Zug, ob er mir einen Hotspot einrichten könnte, weil es kein WLAN gab. Wie sich herausstellte, hatte ich den Vize-Präsident der Programmierer von Path vor mir. Das ist ein Facebook-Wettbewerber.“ Er schaut glücklich drein. „Ich stehe mit ihm bis heute in Kontakt; er ist einer unserer Mentoren geworden.”

Die Unverbindlichkeit der US-Kultur, die viele Deutsche kritisieren, findet Beyer praktisch. „In Deutschland steht man bei Veranstaltungen um Stehtische herum und unterhält sich zehn Minuten lang, auch wenn man nach 30 Sekunden festgestellt hat, dass es nicht interessant für einen ist“, sagt er. „Hier geht die Ansprache blitzschnell und ich kann mich nach 30 Sekunden höflich verabschieden, wenn es nicht funkt.“

Wenige Jahre später bekam Karsten Beyer seine Chance. Damals arbeitete er in seinem ersten Job für einen sächsischen Risikoinvestor und durfte eines der Portfolio-Unternehmen für ein dreimonatiges Förderprogramm in die USA begleiten: ein Start-up namens DataVirtuality, gegründet von einem ukrainischen Studenten an der Universität Leipzig, der entdeckt hatte, dass alle Versuche Daten mit unterschiedlichen Formaten zusammenzuführen an einem grundlegenden Fehler scheiterten. Im Rahmen seiner Doktorarbeit fand Nick Golovin die bisher einzige Alternative, die nur einen Bruchteil der Zeit brauchte und fehlerfrei lief. “Mit der Software können Firmen zum Beispiel Kundendaten zusammenführen und infolge bestimmter Ereignisse automatisch Emails verschicken”, erklärt Beyer.

Wachse oder werde überrollt

Doch die junge Firma hatte ein Problem. “Deutsche Start-ups stoßen irgendwann an eine Grenze”, erzählt Christian Claus in seinem Büro in der Innenstadt von Palo Alto, die aussieht wie eine Feriensiedlung – mit Holzhäusern zwischen Palmen, edlen Restaurants neben noch edleren Boutiquen. “Für die ersten Finanzierungsrunden finden sie noch deutsche Investoren, doch um ein Konzept erfolgreich auszurollen und weltweit Marktführer zu werden, brauchen sie Wachstumskapital. Ein Start-up, das nicht wächst, wird über kurz oder lang von US-amerikanischen oder chinesischen Wettbewerbern überrollt.“ Das Kapital dafür sei im risikoscheuen Deutschland nicht zu haben, sehr wohl aber im Silicon Valley.

Claus arbeitet für den German Accelerator, ein Institut unter dem Schirm des Bundeswirtschaftsministeriums, das vielversprechende Startup-Gründer für drei Monate ins Valley einlädt, damit sie ihr Produkt auf dem US-Markt erproben und möglichst einen Risikoinvestor von sich überzeugen können. Nach eigener Aussage erhofft sich das Ministerium davon, die Start-up-Kultur in Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen und mit dem Geld der US-Investoren Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen.

Die Deutschen sind in dieser Hinsicht Spätzünder; als das Institut 2012 gegründet wurde, hatten die meisten europäischen Länder bereits Accelerators im Valley. „Der Erfolg des Silicon Valley basiert auch darauf, dass laufend Ausländer mit unterschiedlichen Ideen dazukommen“, sagt Claus. Nur zwei von fünf Start-ups in der Region seien von US-Amerikanern gegründet worden.

Bei den Leipzigern ging die Rechnung auf: „Wir waren überrascht zu sehen, wie schnell die Leute ihr Adressbuch öffnen und einen an Mentoren, andere Firmen oder potentielle Investoren weiterempfehlen“, sagt Beyer. Für diejenigen, die dazugehören, ist das Valley sehr klein.

Die Firma holte das Marketing nach Kalifornien, während die Programmierer in Deutschland blieben, wo Löhne günstiger und Arbeitnehmer loyaler sind. Investor Karsten Beyer wechselte die Seiten: Er stieg als operativer Manager bei Data Virtuality ein und blieb in San Francisco.

„Ich habe für mich eine Regel aufgestellt“, verrät Karsten Beyer. „Wenn ich morgens aufwache und das Gefühl habe, ‘uff, Montag, ich habe keinen Bock’, dann kündige ich. Während meiner Schülerpraktika oder Studententätigkeiten hatte ich das immer mal, aber hier noch nicht ansatzweise. Ich sage mir freitags eher schon mal: ‘Uff, zum Strand gehen? Eigentlich willste das Projekt fertigmachen.’“ Work-Life-Balance ist kein gängiges Konzept im Silicon Valley. Wer die Arbeit nicht mehr als Leben empfindet, wechselt einfach die Stelle.

Im Runway wimmelt es von CEOs und COOs in Kapuzenpullovern, und so mancher Gründer mietet sich in einem Hackerhaus ein, spartanischen Hostels mit Stockbetten, um Kosten und Einrichtung zu sparen. „Die erfolgreichen Leute konzentrieren sich sehr auf ihr Business“, beobachtet Christian Claus. „Sie sind von ihrem Produkt so überzeugt, das sie alles andere vernachlässigen. Manche sehen aus als schliefen sie auf der Straße und next thing, you know, verkaufen sie ihre Company für 50 Millionen.“

Andere Gründer seien froh, wenn sie den Wilden Westen wieder verlassen können und ins gemütliche Deutschland zurückkehren. „Einige merken hier, dass zehn andere Firmen das gleiche vorhaben, eine Dating-App zum Beispiel“, sagt Claus. „Die erarbeiten sich dann schleunigst eine Nische, setzen zum Beispiel auf Datensicherheit, so dass ihnen in Europa kein US-Unternehmen Konkurrenz macht.“

Ein Urgestein im Tal der Jugend

Für lokale Verhältnisse ist der deutsche Software-Hersteller SAP ein Urgestein; er eröffnete schon vor 23 Jahren eine Zweigstelle in Palo Alto und hat 2.500 Angestellte vor Ort. Hier haben sich Josefin und Alexander Graebe, 23 und 28 Jahre alt, kennengelernt. Beide kommen aus kleinen Dörfern – sie aus Baden-Württemberg, er aus Sibirien –, haben in Mannheim studiert und ihre ersten Praktika bei SAP gemacht.

Für Alexander, der einen Master in Wirtschaftsinformatik hat, war das Silicon Valley der logische Schritt. „Wenn man in der Techbranche Fuß fassen möchte, muss man das einfach mal gemacht haben“, erzählt er auf dem weitläufigen Firmencampus in den Hügeln hinter Stanford. „Ich wollte einfach die Firmen und Entwickler kennenlernen und sehen, wie hoch das Niveau hier wirklich ist.“ Und, wie hoch ist es? „Die suchen wirklich Hardcore-Programmierer, mit oberflächlichen Sachen kommt man hier nicht weit.“

Josefin kam schon mit 19 Jahren über ein Duales BWL-Studium zu SAP. Palo Alto sollte eigentlich nur eine ihrer sechs Praxisphasen werden; für ihre Bachelor-Arbeit wollte sie die Gründung des firmeneigenen Coworking Space „Hana Haus“ in Palo Alto beobachten. „Ich hatte aber wie immer meinen klaren Fünf-Jahres-Plan im Kopf“, sagt Josefin, sie und Alexander lachen vielsagend. „Auch hatte ich mich natürlich längst für meinen Master in Mannheim eingeschrieben.“ Doch zum ersten Mal wurde nichts aus ihren geradliniegen Plänen: Kalifornien kam dazwischen, das „aufregende“ Projekt – und Alexander.

„Wir haben eine Hausparty geschmissen und wie der Zufall es wollte war mein Mitbewohner ihr Kollege“, erzählt Alexander Graebe. „Ich kannte sie schon und wusste, dass sie auch kommen würde.“ Für beide stand der Rückflug kurz bevor, ihre Praktika gingen zu Ende. Doch die Party hielt ihre Leben einfach an – und gab ihnen wieder Fahrt, aber in eine andere Richtung. Sie verliebten sich, bewarben sich auf Vollzeitstellen, bekamen sie und heirateten im Mai 2015 im imposanten Rathaus von San Francisco. Ihre Familien waren per Skype zugeschaltet. Vom Heimkehren ist seitdem keine Rede mehr.

Josefin ist Executive Director des Chief Digital Officers, sprich, sie unterstützt den Digitalchef bei seinen Meetings und Reisen – und bekommt ganz nebenbei „die Firma von oben gezeigt“. Möchte sie selbst Chefin werden? Sie lacht. „Naja, interessant wäre es schon.“ Alexander preist Programmierern als Developer Evangelist SAP-Technologien an, umwirbt sie mit Konferenz-Talks, Hackathons und Tech-Demos. Denn nicht Manager, sondern Programmierer entscheiden letztlich darüber, welche externen Technologien eingekauft werden – oder, wie Graebe es ausdrückt: “Developer sind die kingmaker von tomorrow”.

„Ich musste mich erst an das hohe Tempo und die Spontaneität des Lebens hier gewöhnen, aber mittlerweile bin ich flexibler geworden“, sagt Josefin Graebe. „Als wir unsere neue Wohnung erst eine Woche vor dem Umzug gefunden haben, hat mir das gar nichts mehr ausgemacht. Die Kündigungsfristen sind hier einfach so kurz, dass die Suche vorher sinnlos ist.“

An manches haben sich die beiden trotzdem bis heute nicht gewöhnt: Josefin könnte sich vorstellen ihren Master in den USA zu machen, doch die Studiengebühren von zigtausend Euro im Jahr findet sie zu hoch. Und als sie vor ihrer Weisheitszahn-Operation mit Schmerzen auf der Arztpritsche lag, wurde sie erst einmal gefragt, ob sie für ein paar Hundert Dollar diese oder jene zusätzliche Narkose bekommen möchte.

Vor allem aber finden die beiden es schwierig, wirklich tiefe Freundschaften zu schließen. „Für viele ist das Silicon Valley einfach nur eine Zwischenstation, um die Karriere voran zu bringen“, sagt Alexander. „Die Nachbarn und Kollegen kommen und gehen – und selbst mit denjenigen, die länger bleiben, schafft man es schwer über den Small Talk hinauszukommen.“ Doch viel Freizeit bleibt ihnen ohnehin nicht, beide reisen oft für SAP um die Welt – Josefin sogar die Hälfte ihrer Zeit. Wenn mal ein gemeinsames Wochenende bleibt, fahren sie ans Meer oder in die Sierra Nevada.

Viele Deutsche haben im Silicon Valley Karriere gemacht. Doch ein Problem begegnet  Karriere-Tutor Emrah Gursoy immer wieder: „Deutsche kommunizieren sehr zielorientiert, viele halten Small Talk für Zeitverschwendung.“ Dabei diene dieser anfängliche Plauderton einem sehr wichtigen Ziel, betont Gursoy: „Die ersten Sätze sollen Vertrauen aufbauen und dem anderen Interesse signalisieren. Wer das übergeht, gilt als kalt.“ Josefin und Alexander Graebe haben sich die US-amerikanische Höflichkeit schnell zu eigen gemacht – daran werden sie spätestens bei ihren Deutschlandbesuchen erinnert. „Dann stehe ich im Laden und frage die Kassiererin ganz arglos, wie es ihr geht“, erzählt Alexander. „Die Blicke solltet Ihr sehen!“

* Nachname ist der Redaktion bekannt.

 

KÄSTEN

Bewerbungstipps Silicon Valley

– US-Amerikaner streuen ihre Bewerbungen breiter als Deutsche, daher erhalten Firmen mehr Bewerbungen auf eine Stelle und können selten alle lesen. Persönliche Empfehlungen sind daher wichtig; dafür ist es wichtig ein großes berufliches Netzwerk aufzubauen.

– Um Kontakt mit interessanten Instituten oder Persönlichkeiten aufzunehmen, empfiehlt es sich, um einen Rat oder einen Kontakt zu bitten, nicht aber direkt um einen Job. Aus dem fachlichen Gespräch kann durchaus ein Jobangebot werden.

– Nicht vor den Anforderungen einer Stelle zurückschrecken, auch nicht vor hohen GPA Scores! Man kann sich in den USA auch bewerben, wenn man nicht alle Voraussetzungen exakt erfüllt. Wichtig ist, offen damit umzugehen und klar zu machen, dass man lernbereit ist und übertragbare Fähigkeiten hat.

– Ausländer anzustellen gilt für viele US-Firmen als Risiko. Je besser die Sprachkenntnisse und die kulturelle Anpassung, desto leichter ist es eine Stelle zu finden. Ein mögliches Missverständnis: In den USA werden öffentliche oft mit schlechteren Universitäten gleichgesetzt – hier gegebenenfalls Zweifel ausräumen. In den USA unbekannte Firmen sollten im Lebenslauf kurz beschrieben werden (Äquivalent zur Firma X in den USA, y Mitarbeiter, o.ä.).

– Jobinterviews sind häufig wie Expertengespräche angelegt. Man sollte nicht nur Fragen beantworten können, sondern auch mehrere Fragen für die unterschiedlichen Gegenüber bereithalten. In Deutschland wird man oft nach seinen Erfolgen gefragt; US-Recruiter wollen eher wissen, wie man aus Fehlschlägen gelernt hat. Nach einem Bewerbungsgespräch empfiehlt sich eine Dankeschön-Email, um an sich zu erinnern.

– Praxiserfahrung und ehrenamtliche Arbeit werden in den USA hoch angesehen. Bachelor-Studiengänge in den USA sind deutlich breiter angelegt als in Deutschland; wenn man nur technische Kurse vorweisen kann, sollte man in anderen Bereichen über das eigene Fach hinausgeschaut haben.

– In den USA ist es einfacher einen Mitarbeiter ohne Abfindung zu feuern, aber auch einfacher, selbst den Job zu wechseln. Jobwechsel nach sechs Monaten sind im Lebenslauf kein Problem.

 

veröffentlicht im Magazin Uniglobale, 4/2016 >> 

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